Entwicklung einer Balanced Scorecard mit Value-Focused Thinking am Beispiel eines Medienunternehmens

Veröffentlichung

[1] Siebert, Johannes U.; Kunz, Reinhard „Die Entwicklung einer Balanced Scorecard mit Value-focused Thinking am Beispiel eines Medienunternehmens“. Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, Heft 3, 2016, 210-215. DOI:  10.15358/0935-0381-2016-3-209

[2] Kunz, Reinhard; Siebert, Johannes U.; Mütterlein, Joschka. “Combining Value-Focused Thinking and Balanced Scorecard to Improve Decision-Making in Strategic Management”. Journal of Multi-Criteria Decision Analysis, September-Dezember 2016, 225-241,DOI: 10.1002/mcda.1572

[3] Kunz, Reinhard; Siebert, Johannes U.; Mütterlein, Joschka. „A Media-Specific Balanced Scorecard Based on Value-Focused Thinking“, Journal of Media Business Studies, 13(4), 2016, 257-275. http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/16522354.2016.1220114 10.15358/0935-0381-2016-3-209

Seit vielen Jahren befindet sich die Medienbranche in einem durch die Digitalisierung der Gesellschaft ausgelösten Wandel. Viele bestehende Geschäftsmodelle werden zwangsläufig durch neue ersetzt. Um in einem solchen Umfeld langfristig erfolgreich agieren zu können, ist ein proaktives Entscheiden im Speziellen und ein proaktives Management im Allgemeinen erforderlich. Hierzu muss ein Unternehmen jedoch sehr genau seine Ziele kennen. Bei vielen Unternehmen in der Medienbranche, insbesondere bei kleinen und mittelständischen, ist dies häufig nicht der Fall. Diese werden zumeist von Inhabern geführt, die sich „auf ihren Bauch“ verlassen, und sehr genau zu wissen meinen, wohin sie ihr Unternehmen steuern müssen. Allerdings sind dadurch Ziele für Mitarbeiter häufig sehr intransparent. Wie sollen die Mitarbeiter jedoch gute Arbeit leisten, wenn ihnen gar nicht klar ist, was sie eigentlich erreichen sollen? In einer Branche, die sich im Wandel befindet, ist es ja keinesfalls ausreichend, einfach das zu machen, was schon immer gemacht wurde.

In einem praxisorientierten Forschungsprojekt der Universität Bayreuth haben Prof. Siebert, Prof. Kunz und Herr Mütterlein für ein mittelständisches Unternehmen in der Medienbranche eine Balanced Scorecard auf Basis von Value-focused Thinking entwickelt. Im Zuge der Anwendung dieses weit verbreiteten Managementinstruments Balanced Scorecard liegt die besondere Herausforderung in einer umfassenden und systematischen Erfassung der relevanten Ziele und Zielbeziehungen. Jedoch gibt es nur wenige Manager, die Erfahrung mit der Erstellung und Interpretation der teilweise sehr differenzierten Mittel-Ziel-Netzwerke haben. Vor diesem Hintergrund wurde eine Vorgehensweise zur Entwicklung und Anpassung einer Balanced Scorecard unter Einsatz von Techniken zur Identifikation von Zielen und Zielbeziehungen mit Value-focused Thinking entwickelt. Nachfolgend findet sich eine kurze Beschreibung der sechs empfohlenen Schritte (siehe Siebert und Kunz 2016).

  • Im ersten Schritt erfolgt die Identifikation von Zielen und Zielbeziehungen durch Interviews mit den Entscheidungsträgern und weiteren Mitarbeitern in Schlüsselpositionen der Organisation. Hier kommen Techniken und Methoden des Value-focused Thinking, wie z. B. die Identifikation von Ketten von Zielen (Leitfrage: Warum ist das Ziel wichtig?), zum Einsatz.
  • Im zweiten Schritt erfolgt die Strukturierung der Ziele. Im Zuge dessen werden zunächst die von den Entscheidungsträgern artikulierten Ziele aggregiert, redundante Ziele eliminiert und die verbleibenden Ziele klassifiziert. Anschließend wird ein differenziertes Mittel-Zweck-Netzwerk unter Berücksichtigung von Strukturierungstechniken des Value-focused Thinking erstellt.
  • In einem dritten Schritt werden Zielcluster identifiziert, die sich dadurch auszeichnen, dass die Ziele eines Clusters mehr Beziehungen untereinander als zu Zielen anderer Cluster aufweisen.
  • Im vierten Schritt dienen die wichtigsten Ziele der einzelnen Cluster als Grundlage zur Formulierung der Mission, Vision und der Strategie des Unternehmens.
  • Im fünften Schritt erfolgt das Design der Balanced Scorecard. Hierzu werden einzelne oder mehrere Cluster als Perspektive einer Balanced Scorecard interpretiert. Darüber hinaus werden die jeweiligen Ziele identifiziert und Zielbeziehungen modelliert. Um den Erfolg des Unternehmens messbar zu machen, werden die Ziele mithilfe geeigneter Kennzahlen operationalisiert. Damit ist die erstmalige Erstellung einer Balanced Scorecard abgeschlossen.
  • In einem sechsten Schritt wird die Balanced Scorecard überwacht und, wenn nötig, an Veränderungen der Unternehmensumwelt oder des Unternehmens angepasst. Dabei könnten beispielsweise einzelne Ziele in der Balanced Scorecard durch andere Ziele im Mittel-Zweck-Netzwerk ausgetauscht werden.

Eine auf diese Weise erstellte Balanced Scorecard weist eine interessante Besonderheit auf. Experimente haben erwiesen, dass Ziele einen effektiven Stimulus für die Entwicklung von Alternativen darstellen können (Siebert und Keeney 2015). Wenn das Management feststellt, in einem bestimmten Bereich Änderungen herbeiführen zu müssen, beispielsweise in der Kundenperspektive, dann bietet eine klassisch erstellte Balanced Scorecard ca. vier bis sechs Ziele als Ansatzpunkte zur Entwicklung von Alternativen. Die von uns entwickelte Vorgehensweise erlaubt hingegen, beliebig tief in die Zielbeziehungen „hinein zu zoomen“. Die Ziele, die in der Balanced Scorecard Berücksichtigung finden, können als Berge in einer Landschaft verstanden werden. Je nach Detaillierungsgrad des Mittel-Zweck-Netzwerks können dessen Ziele hierbei als Hügel oder Ebenen angesehen werden. Für die Frage, inwiefern eine bestimmte Kennzahl verbessert werden kann, ist es ohne großen Aufwand möglich, einen Teilausschnitt des differenzierten Mittel-Zweck-Netzwerks heranzuziehen. Aufgrund des Novitätsgrads, der differenzierten Fallstudie und der letztlich einfachen Methode wurde das Projekt für das Finale des Practice Award der Decision Analysis Society des Institute for Operations Research and the Management Sciences (INFORMS) im Jahre 2013 nominiert.

Zu dieser Thematik sind drei Artikel entstanden, die sich an unterschiedliche Zielgruppen wenden. [1] bietet einen guten Einstieg und ist für interessierte Praktiker geschrieben. Hier finden sich auch Handlungsempfehlungen zur eigenständigen Umsetzung. [2] beschäftigt sich mit der theoretisch konzeptionellen Herleitung der Methode. Der Artikel ist so geschrieben, dass ein interessierter Praktiker weitere differenzierte Hinweise zur Methode bekommt. [3] rückt besonders die Fallstudie bei einem mittelständischen Medienunternehmen in den Vordergrund. Hier finden Interessierte die Methode Schritt für Schritt detailliert angewendet. Besonders relevant ist dieser Artikel für alle, die sich mit Medien beschäftigen, da die Ziele von Medienunternehmen grundsätzlich relativ große Schnittmengen aufweisen. Die Unterschiede liegen zumeist hauptsächlich in der Gewichtung eben dieser.

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