Kategorie: Blog

  • Klug entscheiden lernen: Studien zeigen Einfluss von Schulungen auf das Entscheidungsverhalten

    Klug entscheiden lernen: Studien zeigen Einfluss von Schulungen auf das Entscheidungsverhalten

    Veröffentlichungen

    Johannes Ulrich Siebert, Reinhard E. Kunz, Philipp Rolf. Effects of decision training on individuals’ decision-making proactivity. European Journal of Operational Research (2021), DOI: https://doi.org/10.1016/j.ejor.2021.01.010

    Johannes Ulrich Siebert, Reinhard E. Kunz, Philipp Rolf: Effects of proactive decision making on life satisfaction. European Journal of Operational Research (2020), 280, 1171-1187. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ejor.2019.08.011 

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 020/2021 vom 15.02.2021

    Wer in wichtigen privaten und beruflichen Fragen kluge Entscheidungen trifft, erhöht die Chancen auf größere Lebenszufriedenheit. Die dafür erforderlichen kognitiven Fähigkeiten lassen sich durch Schulungen signifikant steigern. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität Bayreuth in aktuellen empirischen Studien, die im „European Journal of Operational Research“ erschienen sind. Mehrwöchige Kurse mit Teilnehmer*innen verschiedener Alters- und Berufsgruppen stärkten nachweislich deren Fähigkeit, in schwierigen Entscheidungssituationen eine gut überlegte Wahl zu treffen.

    Sind die kognitiven Fähigkeiten, die ein proaktives kluges Entscheidungsverhalten stärken, zu schwach ausgeprägt, kommt es zu Fehlentscheidungen, genauer: zur Wahl suboptimaler Handlungsoptionen. Nicht selten werden dadurch die Lebensqualität und die Lebenszufriedenheit dauerhaft beeinträchtigt. Schulungen, die sowohl die Vermittlung von Grundlagenwissen als auch praktische Übungen einschließen, können jedoch das Entscheidungsverhalten deutlich verbessern – und zwar genau dadurch, dass sie kognitive Fähigkeiten stärken. Dazu zählen vor allem die Fähigkeiten, Entscheidungssituationen vorausschauend und proaktiv anzugehen, Klarheit über eigene Ziele zu gewinnen, erfolgversprechende Optionen zu identifizieren und durch kluges Abwägen eine bestmögliche Wahl zu treffen. Dies hat ein Forschungsteam der Universität Bayreuth in mehrjährigen Untersuchungen herausgefunden. Daran beteiligt waren PD Dr. Johannes Siebert, Philipp Rolf sowie der ehemalige Juniorprofessor Dr. Reinhard Kunz, der jetzt eine Professur an der Universität zu Köln innehat.

    Schulungsveranstaltungen können allerdings nicht die Charaktereigenschaften verändern, die – neben den kognitiven Fähigkeiten – ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten haben. „Langfristig wirksame Dispositionen, wie etwa das Streben nach Selbstoptimierung oder eine initiativfreudige Einstellung zum Leben, können sich offensichtlich nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate aufgrund von Schulungen herausbilden“, erklärt Siebert, der sich in Bayreuth habilitiert hat und derzeit am Management Center Innsbruck forscht und unterrichtet.

    In einer Vorgängerstudie haben die Bayreuther Wissenschaftler nachweisen können, dass kluges proaktives Entscheidungsverhalten die Lebenszufriedenheit erheblich fördern kann. Entscheidend ist dabei nicht allein die Fähigkeit, vorgegebene Handlungsoptionen umsichtig zu bewerten und gegeneinander abzuwägen, sondern auch die Fähigkeit, selbständig weitere Optionen zu entdecken oder sogar neu zu schaffen. „Unsere Studien zeigen deutlich: Wie sehr wir mit unserem Leben zufrieden sind, hängt keineswegs nur von Gegebenheiten ab, denen wir ausgeliefert sind, ohne sie beeinflussen zu können. Ein proaktives Entscheidungsverhalten hilft uns dabei, neue und bessere Handlungsoptionen zu erschließen und dadurch die eigene Lebensqualität zu stärken. Weil wir die dafür nötigen Fähigkeiten gezielt trainieren können, liegt es auch in unserer Hand, ob wir uns zu zufriedenen Menschen entwickeln“, sagt Philipp Rolf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionswirtschaft und Industriebetriebslehre der Universität Bayreuth.

    Die neuen Erkenntnisse über die Stärkung der für gute Entscheidungen wichtigen kognitiven Eigenschaften sind aus der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung von drei mehrwöchigen Veranstaltungen hervorgegangen: Ein Online-Kurs zur Qualität von Entscheidungen wurde in Zusammenarbeit mit einer renommierten US-amerikanischen Universität durchgeführt, eine Vorlesung zur Entscheidungstheorie fand an einer Technischen Universität in Deutschland statt, Lehrveranstaltungen am Management Center Innsbruck in Österreich legten einen Schwerpunkt auf die systematische Strukturierung und Lösen von Entscheidungssituationen. Die insgesamt mehr als 1.000 Teilnehmer*innen gehörten unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen an und bildeten so ein breites gesellschaftliches Spektrum ab. „Alle drei Kurse haben die Fähigkeit der Teilnehmenden, durch proaktives und kluges Überlegen zu richtigen Entscheidungen zu gelangen, nachweislich gestärkt – und zwar unabhängig von ihrer Alters- und Geschlechtszugehörigkeit oder ihrer beruflichen Tätigkeit“, sagt Siebert.

    „KLUG entscheiden!“: Ein Schulprojekt in Oberfranken

    Die Ergebnisse der beiden Studien werden auch in das Schulprojekt „KLUG entscheiden!“ einfließen, das vor drei Jahren in Oberfranken und der Oberpfalz gestartet ist. Zahlreiche Schüler*innen wurden in Workshops bereits mit Erfolg dazu angeleitet, nach dem Schulabschluss eine gut begründete und weitsichtige Entscheidung für eine Ausbildung oder für ein Studium zu treffen. Darüber hinaus werden Lehrkräfte mit Grundlagen der Entscheidungstheorie vertraut gemacht und darin ausgebildet, die im Projekt erarbeiteten Inhalte in ihren Unterricht zu integrieren. Das Projekt befasst sich zugleich mit der Frage, wie Schulen ein solches Entscheidungsverhalten fördern können. „Erste Ergebnisse zeigen, dass auch Schülerinnen und Schüler ihre Entscheidungsfähigkeiten trainieren können und in der Folge ihre Berufswahlentscheidungen selbstbewusster angehen. Hieraus ergeben sich sehr interessante neue Ansatzpunkte für die Förderung junger Menschen“, resümiert Siebert. Das Projekt wird von der Rainer Markgraf Stiftung, der Adalbert-Raps-Stiftung und der Oberfrankenstiftung finanziell unterstützt und bis Ende 2021 in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth fortgesetzt.


  • Give yourself a nudge: Wie Sie sich selbst ‚anstupsen‘ können, um systematisch beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen

    Give yourself a nudge: Wie Sie sich selbst ‚anstupsen‘ können, um systematisch beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 115/2020 vom 21. August 2020

    Entscheidungen sind die einzige Möglichkeit, aktiv auf das, was uns oder unserer Organisation wichtig ist, Einfluss zu nehmen. Alles andere ‚passiert‘. Daher ist es verwunderlich, dass Entscheidende viele Verbesserungspotenziale ungenutzt lassen. Im September-Stadtgespräch werden zahlreiche Tipps gegeben, wie wir systematisch bessere Entscheidungen treffen können und damit das erreichen, was uns wichtig ist. Darüber referiert Prof. (FH) PD Dr. habil. Johannes Siebert vom Management Center Innsbruck.

    • Thema:
      Give yourself a nudge: Wie Sie sich selbst ‚anstupsen‘ können, um systematisch beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen
    • Referent:
      Prof. (FH) PD Dr. habil. Johannes Siebert, Management Center Innsbruck
    • Datum / Uhrzeit:
      Mittwoch, 2. September 2020, ab 18 Uhr

    Am Mittwoch, 2. September 2020, steht der Referent ab 19.00 Uhr für eine live-Diskussion via Zoom mit Zuschauerinnen und Zuschauern zur Verfügung: https://www.uni-bayreuth.de/de/campusleben/terminkalender/stadtgespraeche

    Zum Vortrag

    „Entscheidungen sind die einzige Möglichkeit, aktiv auf das, was Ihnen oder Ihrer Organisation wichtig ist, Einfluss zu nehmen. Alles andere passiert. Daher ist es verwunderlich, wie viele Verbesserungspotenziale Entscheidende ungenutzt lassen“, sagt der Referent des September-Stadtgesprächs, Prof. (FH) PD Dr. habil. Johannes Siebert vom Management Center Innsbruck. Eine Möglichkeit, dass Menschen bessere Entscheidungen treffen, so Siebert, läge darin, Menschen ‚anzustupsen‘ (engl. nudging). Richard Thaler hat für diesen Ansatz der Verhaltensökonomie 2017 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Dabei setzten, so Siebert, sogenannte Entscheidungsarchitekten einen Rahmen, damit Menschen vermehrt Entscheidungen träfen, die für sie selber, aber auch für die Gemeinschaft gut seien, wobei die Wahlfreiheit gewährleistet bliebe. „Wenn beispielsweise in einer Cafeteria“, erläutert Siebert, „gesunde Lebensmittel direkt im Eingangsbereich ansprechend präsentiert werden, dann werden in der Regel mehr gesunde Lebensmittel konsumiert. Allerdings ist es nicht immer möglich, dass Sie ein Entscheidungsarchitekt ‚anstupst‘ oder Sie wollen das gar nicht. Im Vortrag zeige ich, wie Sie sich selbst ‚anstupsen‘ können, systematisch bessere Entscheidungen zu treffen, und wie Sie erreichen, was Ihnen wichtig ist. Dazu werde ich zahlreiche, einfach anwendbare Tipps geben, die bei konsequenter Beachtung dazu führen, dass Sie zufriedener mit Ihrem Leben sind.“

    Zum Referenten

    Prof. (FH) PD Dr. habil. Johannes Siebert hat an der Universität Bayreuth BWL studiert (2005 Abschluss als Diplomkaufmann), wurde hier 2010 auch promoviert (Thema ‚Multikriterielles Entscheiden‘) sowie 2015 habilitiert (Thema ‚Behavioral Operations Research and Decision Analysis‘). Seit August 2017 lehrt und forscht Siebert am Management Center Innsbruck in Österreich. Darüber hinaus ist er Privatdozent an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth.

    Der Bayreuther Alumnus gilt als einer der führenden Experten in Bereich ‚Behavioral Operations Research and Decision Making‘: In seinen Forschungen untersucht Siebert menschliches und organisationales Entscheidungsverhalten und entwickelt Methoden für Entscheidungsträger, von Einzelpersonen bis hin zu großen Organisationen, damit diese besser informierte Entscheidungen treffen. Seine Forschungsergebnisse werden in führenden Fachzeitschriften veröffentlicht.

    Siebert verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der angewandten Entscheidungsforschung. Er hat Forschungs- und Beratungsprojekte für nationale und internationale Auftraggeber aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bearbeitet und geleitet. Beispielsweise hat er Entscheidungsträger im Pentagon (USA) und im kalifornischen Verkehrsministerium sowie Vorstände von großen deutschen Konzernen beraten. In dem Projekt‚ KLUGentscheiden‘ entwickeln er und sein Team Entscheidungstrainings und führen diese mit Schülerinnen und Schülern in Oberfranken und der Oberpfalz in Abschlussklassen durch. Kürzlich wurde der Wissenschaftler in das Beratungsgremium der renommierten ‚Alliance for Decision Education‘ rund um Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman aufgenommen. Prof. (FH) PD Dr. habil. Johannes Siebert wird mit seiner Expertise dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche lernen, abseits vom üblichen ‚Try and Error‘ bewusste und wohlüberlegte Entscheidungen treffen.


  • Internationale Anerkennung für MCI-Professor Johannes Siebert

    Internationale Anerkennung für MCI-Professor Johannes Siebert

    Renommierte Alliance for Decision Education um Nobelpreisträger Daniel Kahneman nimmt Johannes Siebert in Advisory Council auf | Anerkennung für Forschungsleistung im Bereich individuellen und organisatorischen Entscheidungsverhaltens.

    Eine hochrangige Anerkennung ist dieser Tage an der Unternehmerischen Hochschule® bekanntgeworden: Johannes Siebert, Professor am MCI-Department Wirtschaft und Management und international ausgewiesener Experte in der Erforschung individuellen und organisationalen Entscheidungsverhaltens, wurde in das hochkarätig besetzte Beratungsgremium der renommierten Alliance for Decision Education rund um Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Richard Thaler aufgenommen. Er wird mit seiner Expertise dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche lernen, abseits vom üblichen „Try & Error“ bewusste und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen.

    Die Aufnahme von Johannes Siebert in das Advisory Council der Alliance for Decision Education trägt dazu bei, die internationale Vernetzung und Sichtbarkeit des MCI weiter zu erhöhen. Workshops zum Thema Entscheiden für Schülerinnen und Schüler, die Johannes Siebert im Rahmen eines Forschungsprojektes für Bayern entwickelt, sollen mittelfristig auch in Tirol und Österreich angeboten werden.

    Das Treffen von Entscheidungen wird von vielen Individuen und Organisationen als komplexe Aufgabe wahrgenommen. Gründe dafür sind, (i) dass das Entscheiden mit einem gewissen kognitiven Aufwand verbunden ist, (ii) die Entscheidungssituationen nicht vollumfänglich verstanden werden oder (iii) schlicht keine Methoden zum Lösen von Entscheidungsproblemen bekannt sind bzw. beherrscht werden.

    Allerdings besteht nur durch das (pro)aktive Treffen von Entscheidungen die Möglichkeit, Einfluss auf das zu nehmen, was wichtig ist. Andernfalls können weder ein einzelner Entscheider noch eine Organisation langfristig ihre Visionen erfolgreich umsetzen. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass viele Individuen und Organisationen nur ein sehr eingeschränktes Interesse an einer proaktiven Entscheidungshandlung haben und oftmals nur über limitierte Fähigkeiten und Kompetenzen im Treffen von Entscheidungen verfügen.

    In der Folge treffen viele Menschen und Organisationen suboptimale Entscheidungen und müssen dann mit den Konsequenzen umgehen. Besonders bedeutend können diese Konsequenzen bei Kindern und Jugendlichen sein und die Betreffenden ein Leben lang begleiten. Beispielsweise kann die schlechte Entscheidung, sich in ein Auto zu setzen, dessen Fahrer entgegen der Absprache doch Alkohol getrunken hat, das Leben eines Menschen nachhaltig zum negativen verändern. Gleiches gilt im Positiven. Junge Menschen können durch ihre Entscheidungen die Grundlage ihres künftigen Lebens legen. In der Schule werden viele entscheidungsrelevante Informationen vermittelt, allerdings wird den Schülerinnen und Schüler nicht aufgezeigt, wie Entscheidungen getroffen werden (sollten). Daher treffen die meisten jungen Menschen Entscheidungen nach dem Try-and Error-Prinzip. Die Alliance for Decision Education setzt genau an dieser Stelle an. Sie ist eine renommierte amerikanische Non-Profit Organisation, mit der Vision, dass bessere Entscheidungen zu besseren Leben und letztlich zu einer besseren Gesellschaft führen. Dafür organisieren sie unterschiedliche Lehrangebote in denen Kinder und Jugendliche lernen, bewusster Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus interagieren sie mit politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen, um langfristig das Treffen von Entscheidungen im Unterrichtskanon zu verankern. Strategisch begleitet werden diese Vorhaben vom sogenannten Advisory Council der mit führenden Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft in den Themenfeldern Verhaltensökonomik, Entscheidungstheorie, Psychologie, Risikomanagement oder Kinderpsychiatrie besetzt ist. Viele Studierenden in den Feldern der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre kennen beispielsweise sicherlich die Arbeiten von dem Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman oder Paul Slovic.

    Links:
    https://alliancefordecisioneducation.org/learn/about-the-alliance 
    https://alliancefordecisioneducation.org/learn/about-the-alliance/team/johannes-siebert

    Quelle: MCI-News 12. August 2020

  • Die Ziele des Islamischen Staats: Neue Studie zu den Führungspersonen des IS und seinen Anhängern

    Die Ziele des Islamischen Staats: Neue Studie zu den Führungspersonen des IS und seinen Anhängern


    Veröffentlichung

    Siebert, Johannes U.; von Winterfeldt, Detlof; John, Richard. “Identifying and Structuring the Objectives of the “Islamic State of Iraq and the Levant” (ISIL) and its Followers.”Decision Analysis (INFORMS), 13(1), 2016, 26-50,dx.doi.org/10.1287/deca.2015.0324

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 221/2015 vom 25. November 2015

    Was will der Islamische Staat? Dr. Johannes Siebert an der Universität Bayreuth und U.S.-amerikanische Wissenschaftler an der University of Southern California (USC) haben die Ziele des IS erstmals systematisch analysiert. Die Studie wurde kürzlich im renommierten INFORMS-Journal „Decision Analysis“ veröffentlicht.

    Dr. Johannes Siebert, Universität Bayreuth. © privat.

    Die entscheidungstheoretische Methodik, die der Studie zugrunde liegt, wurde ursprünglich in den Wirtschaftswissenschaften entwickelt und ist prinzipiell anwendbar auf jedwede Institution, Organisation oder Gruppe und ebenso auf individuelle Personen. Sie arbeitet insbesondere mit wissenschaftlich bewährten Verfahren der Untersuchung schriftlicher Texte und mündlicher Aussagen. Die Autoren haben auf diese Weise verschiedenartige Quellen analysiert:

    Interviews mit 59 Experten aus den folgenden Gebieten: Islamistischer Terror und Dschihad-Bewegungen; Nahostpolitik und internationale Beziehungen; Geschichte, Anthropologie und Soziologie sowie Psychologie des Terrorismus.

    Öffentlich zugängliche Informationsquellen im Internet: Transkriptionen von 12 Reden der prominentesten IS-Führungspersonen; Experteninterviews und Artikel mit Bezug zum IS, die in US-amerikanischen oder in deutschen Medien veröffentlicht wurden.

    Auf dieser Basis haben Dr. Johannes Siebert, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bayreuth, sowie Prof. Detlof von Winterfeldt und Prof. Richard John an der USC die Ziele der IS-Führung und die Ziele der IS-Anhänger herausgearbeitet und miteinander verglichen.

    Ziele der IS-Führung

    Die IS-Führung verfolgt strategische Ziele, die einerseits stärker religiös, andererseits stärker militärisch ausgerichtet sind. In militärischer Hinsicht will sie im Irak und an der Levante ein Kalifat errichten. Um diese Absicht zu verwirklichen, will sie die bestehenden Regierungen im Irak und an der Levante eliminieren, das eigene Territorium unter Kontrolle halten und stetig ausweiten sowie die Zahl der Kämpfer und Anhänger steigern. Ein weiteres militärisch akzentuiertes Ziel ist die Kontrolle und Regierung dieses Kalifats, das als Islamischer Staat funktionieren und Dienstleistungen für die eigenen Bürger erbringen soll. Die Versorgung mit militärischen und zivilen Gütern soll gesichert, die innere Sicherheit aufrechterhalten und zumindest der Anschein staatlicher Ordnung gewährleistet werden.

    Eindeutig religiös akzentuiert ist hingegen das strategische Ziel von Mitgliedern der IS-Führung, die Stärken und den Ruhm des sunnitischen Islam wiederherzustellen. In dieser Absicht wollen sie im eigenen Herrschaftsgebiet eine reine und strenge Version des Islam verwirklichen, dem Leben der sunnitischen Gläubigen einen Sinn geben, die Sharia mit dem Schwert durchsetzen und als Führer des Islam anerkannt werden. Hieran schließt sich auf der strategischen Ebene ein weiteres religiöses Ziel an: die weltweite Ausbreitung des Islam und der Sharia-Normen. Zu diesem Zweck soll die Welt von anti-islamischen Kräften ‚gereinigt‘ und andere Länder von innen her angegriffen werden. Ausländische Mächte sollen daran gehindert werden, sich politisch und militärisch im Irak und an der Levante einzumischen.

    Vor allem zwei Mittel hält man in der IS-Führung für durchweg geeignet, um auf operativer Ebene diese Ziele durchzusetzen: Ungläubige zu töten, einzuschüchtern und/oder zu bekehren sowie finanzielle Mittel zu generieren.

    Im Spannungsfeld von Territorialkrieg und Religionsexport

    „In den Anfängen des IS standen eher die militärisch ausgerichteten Ziele im Vordergrund, die mit der Einrichtung und Kontrolle eines Kalifats zusammenhingen. Es waren vor allem die früheren militärischen Anführer von Saddam Hussein, die sich hierauf konzentrierten“, erklärt Dr. Johannes Siebert. „Weil der IS sehr stark an der eigenen Staatlichkeit im Nahen Osten interessiert war, schien es zunächst einen klaren Unterschied zu Al-Qaida zu geben. Denn zu den Kernzielen dieser Bewegung zählte schon immer der Angriff auf Menschen und Institutionen im Ausland. Die Attentate von Paris deuten jedoch darauf hin, dass religiös begründete Ziele des IS neuerdings mehr Gewicht bekommen haben – sowohl auf strategischer Ebene als auch bei der Anhängerschaft. Viele IS-Kämpfer aus arabischen Ländern sind offenbar bereit, im Ausland für die weltweite Ausbreitung des Islam und der Sharia zu sterben.“

    Die Autoren der Studie machen darauf aufmerksam, dass die von den IS-Führern verfolgten religiösen und militärischen Ziele nicht selten in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der religiös motivierte, gewaltsame Kampf für den Export eines ‚reinen‘ Islam in andere Weltregionen könnte zu einer wachsenden Bereitschaft der angegriffenen Staaten führen, den IS auf dessen eigenem Territorium zu bekämpfen. Dieses Territorium besetzt zu halten und zu verteidigen, bindet wiederum Ressourcen, die der IS andererseits benötigen würde, um Attentate im Ausland zu planen und zu finanzieren.   

    Die Ziele der IS-Anhänger

    Innerhalb der Anhängerschaft des IS unterscheiden die Wissenschaftler drei strategische Ziele: humanitäre, religiöse und persönliche Erfüllung. Für allgemeine humanitäre Anliegen – und insbesondere für die der Sunniten – zu streiten, ist eine strategische Dimension, die aus Sicht der Autoren nicht unterschätzt werden sollte. Zahlreiche IS-Anhänger handeln in der Vorstellung, ihr kämpferischer Einsatz diene der (Wieder-)Herstellung und Ausbreitung von Lebensbedingungen, die von sozialer Gerechtigkeit, Ruhe, Sicherheit und Abwesenheit von Unterdrückung geprägt seien. Ein starkes Motiv ist ebenso die religiöse Erfüllung, welche die Anhänger des IS zu finden glauben, indem sie sich für eine ‚reine‘ und strenge Version des Islam einsetzen und ‚für Gott kämpfen‘. Diese religiösen und humanitären Ziele der Anhänger stehen weitgehend im Einklang mit den strategischen Zielen des IS-Führungspersonals.

    Anders verhält es sich mit der persönlichen Erfüllung, die sich viele Anhänger vom Einsatz für den IS versprechen. Einer ‚Bruderschaft von Kämpfern‘ anzugehören, Bürger westlicher Länder und Juden anzugreifen, eigene Gewalttätigkeit und Brutalität auszuleben – mit diesen Absichten ordnen sich IS-Anhänger gut in die strategischen Ziele der IS-Führungsebene ein. Doch ebenso suchen sie persönliche Befriedigung durch Machtgewinn, eine Verbesserung ihrer materiellen Situation und eine steigende Selbstachtung. „Diese Absichten bleiben oftmals unbefriedigt, so dass IS-Anhänger nicht immer die angestrebte persönliche Erfüllung finden. Darum kehren manche jungen Männer aus westlichen Ländern, die sich als Kämpfer dem IS angeschlossen haben, enttäuscht zurück“, erklärt Dr. Johannes Siebert. „Wenn sie über diese Erfahrungen wiederholt öffentlich berichten, könnte dies die Illusionen anderer Jugendlicher, die sich zum IS hingezogen fühlen, möglicherweise dämpfen.“

  • Entscheiden ohne Tunnelblick – Wie sich die kreative Suche nach Alternativen lohnt

    Entscheiden ohne Tunnelblick – Wie sich die kreative Suche nach Alternativen lohnt

    Veröffentlichungen

    Siebert, Johannes U.; Keeney, Ralph L. “Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives”, Operations Research, September/Oktober 2015, 63(5), 1144-1158, dx.doi.org/10.1287/opre.2015.1411

    „There is no alternative!“, so begründete die britische Premierministerin Margaret Thatcher Ende der 1970er Jahre ihr wirtschafts- und sozialpolitisches Reformprogramm. Alsbald wurde dieser Slogan in den Medien als „TINA“-Prinzip karikiert. Aber gibt es überhaupt Entscheidungen ohne Alternativen? Und was besagt ihre vermeintliche Alternativlosigkeit über ihre Qualität?  Aktuelle Studien, die aus einer engen Zusammenarbeit des Bayreuther Ökonomen Dr. Johannes Siebert und des U.S.-amerikanischen Entscheidungstheoretikers Prof. Dr. Ralph L. Keeney hervorgegangen sind, zeigen: Gerade dann, wenn Menschen kreativ und zielorientiert nach verschiedenen Handlungsoptionen Ausschau halten, steigt die Qualität ihrer Entscheidungen. In der renommierten Fachzeitschrift „Operations Research“ stellen die beiden Wissenschaftler ihre Ergebnisse vor.

    Verengte Sicht auf Alternativen macht blind für die besten Optionen

    Menschen, die eine Entscheidung zu treffen haben, sind oftmals nicht in der Lage, alle für sie relevanten Alternativen zu erkennen. Ohne Unterstützung identifizieren sie in vielen Fällen nur weniger als die Hälfte der Handlungsmöglichkeiten, von denen sie – sobald sie explizit danach gefragt werden – glauben, dass sie in Betracht zu ziehen seien. Dies ergab ein Versuch mit rund 200 Bachelor- und Master-Studierenden in wirtschaftswissenschaftlichen oder wirtschaftsnahen Studiengängen. Im Vorfeld der Entscheidung für ein Praktikum identifizierten sie aus eigener Kraft nur 37 Prozent derjenigen Handlungsmöglichkeiten, die sie später als relevant bewerteten, wenn ihnen eine umfassende ‚Master-Liste‘ von Optionen vorgelegt wurde.

    Der verengte Blick auf das weite Feld möglicher Alternativen hat auch für die Qualität von Entscheidungen erhebliche Konsequenzen. Denn wie Keeney und Siebert in der gleichen Studie belegen konnten, sind Menschen in Entscheidungssituationen oftmals für Optionen blind, die sie nachträglich als besonders vorteilhaft bewerten. Bevor die Studierenden mit einer ‚Master-Liste‘ möglicher Alternativen konfrontiert wurden, zogen nur 44 Prozent von ihnen diejenige Option in Betracht, die sie anschließend am besten bewerteten; und nur 10 Prozent von ihnen erkannten im voraus ihre drei Top-Favoriten. Wenn aber besonders vorteilhafte Handlungsmöglichkeiten überhaupt nicht in Betracht gezogen werden, können sie auch nicht gewählt werden; denn es ist klar, dass es sich bei einer Entscheidung immer um die Wahl einer Option handelt, die im Vorfeld identifiziert worden ist.

    Siebert erläutert diese ‚Blindheit‘ für eine vorteilhafte, ja sogar für die beste Entscheidung an einem Beispiel aus der Studie: Ein Student hat nach der Hälfte der Laufzeit seines Praktikums den Wunsch, nach Abschluss des Studiums Vollzeit für das Unternehmen zu arbeiten. Was sollte er tun, um dieses Ziel zu erreichen? Die meisten der befragten Studierenden nennen Optionen wie „länger arbeiten“, „sich mehr Mühe geben“ oder „Verantwortung übernehmen“, doch die mit Abstand erfolgversprechendste Option kommt ihnen nicht in den Sinn: nämlich dass der Student seinen Chef fragen sollte, was er in der zweiten Hälfte seines Praktikums tun müsse, um seine Chance auf eine Vollzeitstelle zu erhöhen. Solange der Chef nichts von dem Interesse des Praktikanten weiß, erweisen sich die anderen genannten Optionen als wenig effektiv. Dies wird den meisten Befragten jedoch erst im nachhinein klar.

    „Je besser die vor einer Entscheidung in Betracht gezogenen Alternativen sind, desto besser ist im Regelfall auch die letztlich gewählte Option“, erklärt der Bayreuther Ökonom. „Viele Personen und Organisationen konzentrieren sich darauf, einzelne Handlungsoptionen zu diskutieren und zu bewerten. Es erweist es sich jedoch als deutlich effektiver, mehr Aufwand in die Entwicklung von Alternativen zu investieren.“

    Die Vergegenwärtigung von Zielen – ein Schlüssel für die Entdeckung vorteilhafter Handlungsmöglichkeiten

    Was aber können Menschen im Vorfeld einer Entscheidung tun, damit ihnen ein größeres Spektrum möglicher Alternativen vor Augen steht – insbesondere solche Handlungsmöglichkeiten, die in ihrem wohlverstandenen Interesse liegen? Von entscheidender Bedeutung ist es, sich die eigenen Ziele zu vergegenwärtigen. „Anknüpfend an die bisherige wissenschaftliche Literatur haben Professor Ralph Keeney und ich einen Ansatz verfolgt, der schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegt“, berichtet Siebert. „Wir haben untersucht, ob die Erkenntnis vorteilhafter Handlungsmöglichkeiten stimuliert und erweitert wird, wenn sich Menschen vor Entscheidungen zunächst einmal Rechenschaft darüber geben, welche Ziele sie eigentlich erreichen wollen. Ein solcher positiver Effekt lässt sich tatsächlich nachweisen. Die Ergebnisse unserer Studien sind in diesem Punkt eindeutig.“

    Denn bei weiteren Tests mit rund 400 Studierenden stellte sich heraus: Wenn sie eigene Ziele deutlich vor Augen hatten, konnten sie im Vorfeld einer Entscheidung mehr und bessere Handlungsmöglichkeiten identifizieren, als wenn ihnen nicht klar war, welche Ziele bei ihrer Entscheidung berücksichtigt werden sollten. ‚Zielbewusste‘ Studierenden konnten mithilfe kreativer Überlegungen doppelt so viele Handlungsmöglichkeiten entdecken wie Studierende, die zuvor nicht über eigene Ziele nachgedacht hatten. Und was noch stärker ins Gewicht fällt: In 58 Prozent dieser Fälle wurde das Spektrum der zielbewusst identifizierten Handlungsmöglichkeiten nachträglich höher bewertet.

    Angesichts dieser Ergebnisse haben Siebert und Keeney unterschiedliche Verfahren getestet, um die kreative Suche nach erfolgversprechenden Handlungsmöglichkeiten zu fördern. Als besonders effektiv erwies sich dabei eine umfassende ‚Master-Liste‘ von Zielen in Verbindung mit einer Anleitung, diese Ziele für eine derartige Suche zu nutzen. Auf diesem Weg konnte die Zahl der Alternativen, die im Vorfeld einer Entscheidung in Betracht gezogen wurden, um 53 Prozent gesteigert werden.

    Mehr Zeit ist kein Ersatz für zielbewusste Entscheidungsfindung

    Ließe sich ein derartiger Effekt auch dadurch erreichen, dass Menschen einfach mehr Zeit eingeräumt wird, um eine Entscheidung vorzubereiten? Ist die Vergegenwärtigung von Zielen womöglich ein aufwändiger Umweg, der sich vermeiden ließe, wenn für eine wenig zielbewusste Suche nach Alternativen mehr Zeit zur Verfügung stünde? Dies wird von den beiden Wissenschaftlern klar verneint. Ihre Untersuchungen zeigen, dass eine systematische Vergegenwärtigung von Zielen unverzichtbar ist, wenn man Menschen in schwierigen Entscheidungssituationen dazu anregen will, viele sinnvolle Handlungsoptionen in Betracht zu ziehen.

    Von wissenschaftlichen Studien in die Praxis: Handlungsempfehlungen

    Am Schluss ihres Beitrags für „Operations Research“  entwickeln Siebert und Keeney, der an der renommierten Duke University in den USA forscht, eine Reihe von Empfehlungen, wie die erzielten Forschungsergebnisse genutzt werden können, um Prozesse der Entscheidungsfindung zu optimieren – sei es in der Politik, in Unternehmen, sozialen Organisationen oder der individuellen Lebensplanung. Es komme der Qualität der Entscheidungen zugute, wenn mehrere Personen daran mitwirken, Ziele und sinnvolle Handlungsoptionen zu identifizieren und gegeneinander abzuwägen: also nicht nur die Verantwortlichen, die letztlich die Entscheidung treffen müssen, sondern auch Analysten und weitere Beteiligte. „Einsamkeit und Zeitdruck, verbunden mit unklaren Zielvorstellungen und einer eingeschränkten Sicht auf mögliche Alternativen, sind schlechte Voraussetzungen für gute Entscheidungen“, meint Dr. Johannes Siebert, der die jetzt veröffentlichten Studien in weiteren Forschungsarbeiten vertiefen will.

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 168/2015 vom 11. September 2015

  • Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives

    Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives

    Unsere erste Studie zeigt, dass die Entscheidungsträger weniger als die Hälfte ihrer Alternativen identifizieren und dass die Qualität von Alternativen ist entscheidend für das Treffen guter Entscheidungen. Diese Forschungsarbeit, die auf fünf empirischen Studien zu wichtigen, persönlich relevanten Entscheidungen basiert, untersucht die Fähigkeit von Entscheidungsträgern, Alternativen für ihre wichtigen Entscheidungen zu entwickeln, und die Wirksamkeit verschiedener Stimuli zur Verbesserung dieser Fähigkeit. Unsere erste Studie zeigt, dass Entscheidungsträger bei Entscheidungen, bei denen die Gesamtheit der potenziell wünschenswerten Alternativen nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, weniger als die Hälfte ihrer Alternativen identifizieren und dass die durchschnittliche Qualität der übersehenen Alternativen dieselbe ist wie die der identifizierten. Vier weitere Studien geben Aufschluss darüber, wie Zielsetzungen eingesetzt werden können, um den Prozess der Alternativenbildung bei Entscheidungsträgern anzuregen, und bestätigen mit hoher Signifikanz, dass ein solcher Einsatz sowohl die Anzahl als auch die Qualität der gebildeten Alternativen erhöht. Anhand der Ergebnisse der Studien werden praktische Leitlinien für die Erstellung von Alternativen für wichtige Entscheidungen vorgestellt.

    Siebert, Johannes U.; Keeney, Ralph L. “Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives”. Operations Research, September/October 2015, 63(5), 1144-1158. dx.doi.org/10.1287/opre.2015.1411