Identifikation und Strukturierung der Ziele der Terrorgruppe Islamischen Staats und dessen Anhänger

Im Sommer 2014 stellte die Terrorgruppe Islamischer Staat eine der größten Bedrohungen für die Bevölkerung im Nahen Osten und der westlichen Welt dar. Lange mangelte es der amerikanischen Regierung an einer klaren Strategie im Umgang mit dieser Terrorgruppe. Präsident Obama gab dies sogar öffentlich zu (“We don’t yet have a complete strategy” for fighting the Islamic State in Iraq; 28. August 2014, in Washington Post).

Das Problem der Militärführung der Vereinigten Staaten bestand hauptsächlich darin, dass die Mittel, die sich zum Schutz der Zielbevölkerung vor der Terrorgruppe Al Qaeda als erfolgreich erwiesen hatten, bei der Terrorgruppe Islamischer Staat ihre Wirkung verfehlten. Im Nachhinein betrachtet lag dies an den fundamental unterschiedlichen Strategien, die beide Terrorgruppen verfolgen. Um sinnvolle Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergreifen zu können, war es erforderlich herauszufinden, welche Ziele die Terrorgruppe Islamic State verfolgt, um anhand dessen mögliche Strategien ableiten und Gegenmaßnahmen daran ausrichten zu können.

Dieser anspruchsvollen Aufgabe haben sich die Professoren von Winterfeldt, Siebert, Abbas und John im Auftrag von General Nagata, Head of Special Operations Command Central (SOCCENT), am Center for Risk and Economic Analysis of Terrorism Events (CREATE) gewidmet. Die besondere Schwierigkeit bei der Identifikation der Ziele von Terroristen liegt darin, dass konventionelle Methoden der Entscheidungstheorie, wie beispielsweise Interviews und Fragebögen, keine Anwendung finden können, da kein Zugriff auf mögliche Gesprächspartner besteht und sehr wahrscheinlich keine Kooperationsbereitschaft vorliegt. Darüber hinaus müssen Propaganda und wahre Ziele unterschieden werden. Die Terrorgruppe Al Qaeda hat z.B. das Ziel, „ein Kalifat zu errichten“ als Propaganda benutzt, um neue Anhänger zu gewinnen. Im Gegensatz hat die Terrorgruppe sich eben diesem Ziel auf oberster Ebene verschrieben und sogar in Weiteren Teilen umgesetzt.

Um den Mangel an direkten Informationsquellen zu kompensieren, analysierte Herr Prof. von Winterfeldt knapp 60 vom Büro des Joint Chiefs of Staff im Pentagon für diesen Zweck durchgeführte semistrukturierte Interviews mit weltweiten Experten für Terrorismus, Islam, Politik, den Nahen Osten, etc. Deren Auswertung resultierte dabei in über 353 unterschiedlichen Aussagen bezüglich möglicher Werte der Terroristen, die in Ziele übersetzt und danach in einer Zielhierarchie zusammengeführt wurden. Prof. Siebert hat diesen Prozess auf Basis einer Suche in frei verfügbaren Quellen repliziert. Dabei wurden insbesondere hierfür transkribierte Reden der IS Führer Al-Baghdadi und Al Adnani, sowie Zeitungsartikel und Propagandaschriften der Terrororganisation ausgewertet.

Aufgrund des Novitätsgrads, der Relevanz der durchgeführten Fallstudie und der neu konzipierten Methode zur Identifikation von Zielen von Organisationen, auf die kein direkter Zugriff besteht, wurde das Projekt für das Finale des Practice Award der Decision Analysis Society des Institute for Operations Research and the Management Sciences (INFORMS) im Jahre 2016 nominiert. Eine differenzierte Darstellung des Projekts und der Methode findet sich in [1] und eine Zusammenfassung Projektbericht in [2].

  •  [1] Siebert, Johannes; von Winterfeldt, Detlof; John, Richard. “Identifying and Structuring the Objectives of the “Islamic State of Iraq and the Levant” (ISIL) and its Followers.” Decision Analysis (INFORMS), 13(1), 26-50. (Link)
  • [2] Nagata, M., Abbas, A., Atran, S., Braniff, B., Bringuel, A., al-Chalabi, M., … & Corman, S. (2014). Multi-‐Method Assessment of ISIL. (Link)
  • https://www.informs.org/Blogs/DECA-Blogs/DECA-Review/Identifying-and-Structuring-the-Objectives-of-the-Islamic-State-of-Iraq-and-the-Levant-ISIL-and-its-Followers (Link)
  • „Wer dem IS folgt, ist ein Loser“, in Welt am Sonntag, No. 4, 24th of January, 2016. (Link)
  • „Was macht den IS für Anhänger attraktiv?“, N24.de, 25th of January, 2016, (Link)