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  • Die Ziele des Islamischen Staats: Neue Studie zu den Führungspersonen des IS und seinen Anhängern

    Die Ziele des Islamischen Staats: Neue Studie zu den Führungspersonen des IS und seinen Anhängern


    Veröffentlichung

    Siebert, Johannes U.; von Winterfeldt, Detlof; John, Richard. “Identifying and Structuring the Objectives of the “Islamic State of Iraq and the Levant” (ISIL) and its Followers.”Decision Analysis (INFORMS), 13(1), 2016, 26-50,dx.doi.org/10.1287/deca.2015.0324

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 221/2015 vom 25. November 2015

    Was will der Islamische Staat? Dr. Johannes Siebert an der Universität Bayreuth und U.S.-amerikanische Wissenschaftler an der University of Southern California (USC) haben die Ziele des IS erstmals systematisch analysiert. Die Studie wurde kürzlich im renommierten INFORMS-Journal „Decision Analysis“ veröffentlicht.

    Dr. Johannes Siebert, Universität Bayreuth. © privat.

    Die entscheidungstheoretische Methodik, die der Studie zugrunde liegt, wurde ursprünglich in den Wirtschaftswissenschaften entwickelt und ist prinzipiell anwendbar auf jedwede Institution, Organisation oder Gruppe und ebenso auf individuelle Personen. Sie arbeitet insbesondere mit wissenschaftlich bewährten Verfahren der Untersuchung schriftlicher Texte und mündlicher Aussagen. Die Autoren haben auf diese Weise verschiedenartige Quellen analysiert:

    Interviews mit 59 Experten aus den folgenden Gebieten: Islamistischer Terror und Dschihad-Bewegungen; Nahostpolitik und internationale Beziehungen; Geschichte, Anthropologie und Soziologie sowie Psychologie des Terrorismus.

    Öffentlich zugängliche Informationsquellen im Internet: Transkriptionen von 12 Reden der prominentesten IS-Führungspersonen; Experteninterviews und Artikel mit Bezug zum IS, die in US-amerikanischen oder in deutschen Medien veröffentlicht wurden.

    Auf dieser Basis haben Dr. Johannes Siebert, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bayreuth, sowie Prof. Detlof von Winterfeldt und Prof. Richard John an der USC die Ziele der IS-Führung und die Ziele der IS-Anhänger herausgearbeitet und miteinander verglichen.

    Ziele der IS-Führung

    Die IS-Führung verfolgt strategische Ziele, die einerseits stärker religiös, andererseits stärker militärisch ausgerichtet sind. In militärischer Hinsicht will sie im Irak und an der Levante ein Kalifat errichten. Um diese Absicht zu verwirklichen, will sie die bestehenden Regierungen im Irak und an der Levante eliminieren, das eigene Territorium unter Kontrolle halten und stetig ausweiten sowie die Zahl der Kämpfer und Anhänger steigern. Ein weiteres militärisch akzentuiertes Ziel ist die Kontrolle und Regierung dieses Kalifats, das als Islamischer Staat funktionieren und Dienstleistungen für die eigenen Bürger erbringen soll. Die Versorgung mit militärischen und zivilen Gütern soll gesichert, die innere Sicherheit aufrechterhalten und zumindest der Anschein staatlicher Ordnung gewährleistet werden.

    Eindeutig religiös akzentuiert ist hingegen das strategische Ziel von Mitgliedern der IS-Führung, die Stärken und den Ruhm des sunnitischen Islam wiederherzustellen. In dieser Absicht wollen sie im eigenen Herrschaftsgebiet eine reine und strenge Version des Islam verwirklichen, dem Leben der sunnitischen Gläubigen einen Sinn geben, die Sharia mit dem Schwert durchsetzen und als Führer des Islam anerkannt werden. Hieran schließt sich auf der strategischen Ebene ein weiteres religiöses Ziel an: die weltweite Ausbreitung des Islam und der Sharia-Normen. Zu diesem Zweck soll die Welt von anti-islamischen Kräften ‚gereinigt‘ und andere Länder von innen her angegriffen werden. Ausländische Mächte sollen daran gehindert werden, sich politisch und militärisch im Irak und an der Levante einzumischen.

    Vor allem zwei Mittel hält man in der IS-Führung für durchweg geeignet, um auf operativer Ebene diese Ziele durchzusetzen: Ungläubige zu töten, einzuschüchtern und/oder zu bekehren sowie finanzielle Mittel zu generieren.

    Im Spannungsfeld von Territorialkrieg und Religionsexport

    „In den Anfängen des IS standen eher die militärisch ausgerichteten Ziele im Vordergrund, die mit der Einrichtung und Kontrolle eines Kalifats zusammenhingen. Es waren vor allem die früheren militärischen Anführer von Saddam Hussein, die sich hierauf konzentrierten“, erklärt Dr. Johannes Siebert. „Weil der IS sehr stark an der eigenen Staatlichkeit im Nahen Osten interessiert war, schien es zunächst einen klaren Unterschied zu Al-Qaida zu geben. Denn zu den Kernzielen dieser Bewegung zählte schon immer der Angriff auf Menschen und Institutionen im Ausland. Die Attentate von Paris deuten jedoch darauf hin, dass religiös begründete Ziele des IS neuerdings mehr Gewicht bekommen haben – sowohl auf strategischer Ebene als auch bei der Anhängerschaft. Viele IS-Kämpfer aus arabischen Ländern sind offenbar bereit, im Ausland für die weltweite Ausbreitung des Islam und der Sharia zu sterben.“

    Die Autoren der Studie machen darauf aufmerksam, dass die von den IS-Führern verfolgten religiösen und militärischen Ziele nicht selten in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der religiös motivierte, gewaltsame Kampf für den Export eines ‚reinen‘ Islam in andere Weltregionen könnte zu einer wachsenden Bereitschaft der angegriffenen Staaten führen, den IS auf dessen eigenem Territorium zu bekämpfen. Dieses Territorium besetzt zu halten und zu verteidigen, bindet wiederum Ressourcen, die der IS andererseits benötigen würde, um Attentate im Ausland zu planen und zu finanzieren.   

    Die Ziele der IS-Anhänger

    Innerhalb der Anhängerschaft des IS unterscheiden die Wissenschaftler drei strategische Ziele: humanitäre, religiöse und persönliche Erfüllung. Für allgemeine humanitäre Anliegen – und insbesondere für die der Sunniten – zu streiten, ist eine strategische Dimension, die aus Sicht der Autoren nicht unterschätzt werden sollte. Zahlreiche IS-Anhänger handeln in der Vorstellung, ihr kämpferischer Einsatz diene der (Wieder-)Herstellung und Ausbreitung von Lebensbedingungen, die von sozialer Gerechtigkeit, Ruhe, Sicherheit und Abwesenheit von Unterdrückung geprägt seien. Ein starkes Motiv ist ebenso die religiöse Erfüllung, welche die Anhänger des IS zu finden glauben, indem sie sich für eine ‚reine‘ und strenge Version des Islam einsetzen und ‚für Gott kämpfen‘. Diese religiösen und humanitären Ziele der Anhänger stehen weitgehend im Einklang mit den strategischen Zielen des IS-Führungspersonals.

    Anders verhält es sich mit der persönlichen Erfüllung, die sich viele Anhänger vom Einsatz für den IS versprechen. Einer ‚Bruderschaft von Kämpfern‘ anzugehören, Bürger westlicher Länder und Juden anzugreifen, eigene Gewalttätigkeit und Brutalität auszuleben – mit diesen Absichten ordnen sich IS-Anhänger gut in die strategischen Ziele der IS-Führungsebene ein. Doch ebenso suchen sie persönliche Befriedigung durch Machtgewinn, eine Verbesserung ihrer materiellen Situation und eine steigende Selbstachtung. „Diese Absichten bleiben oftmals unbefriedigt, so dass IS-Anhänger nicht immer die angestrebte persönliche Erfüllung finden. Darum kehren manche jungen Männer aus westlichen Ländern, die sich als Kämpfer dem IS angeschlossen haben, enttäuscht zurück“, erklärt Dr. Johannes Siebert. „Wenn sie über diese Erfahrungen wiederholt öffentlich berichten, könnte dies die Illusionen anderer Jugendlicher, die sich zum IS hingezogen fühlen, möglicherweise dämpfen.“

  • Value focused decision making – How to be successful by thoughtful decision making?

    Value focused decision making – How to be successful by thoughtful decision making?

    Selecting a university, choosing a dissertation topic, pursuing friendships, arranging an internship, finding a place to study abroad, getting a well-paid summer job, and accepting an employment offer. There are numerous decision tasks in a student´s life to be made, which have a significant impact on their personal future. But how to do it properly? Is there a proper way of decision making (with the effect of enhancing the quality of life), or is there a power of thinking without thinking and no need to put much effort into it?

    This marks the beginning of a scientific workshop on decision-making, led by PD Dr. Johannes Siebert (University of Bayreuth) in collaboration with Professor Dr. Ralph L. Keeney (Duke University, USA).

    PD Dr. Johannes Siebert ist „Akademischer Oberrat“ at the Chair of BWL 5, Produktionswirtschaft & Industriebetriebslehre. After graduating with a thesis on multiattribute utility theory, he applied a more qualitative technique. He got in contact with the ideas of Value Focused Thinking and learned from its founder, Prof. Dr. Ralph Keeney. The theory is based on the assumption that actively using a system of values is the key to more and better alternatives for acting, which have the power to lead to more satisfaction than the reactive way of choosing only when forced and only between the obvious choices A or B.

    In cooperation with Prof. Dr. Ralph Keeney, Dr. Siebert successfully verified this hypothesis empirically through a series of experiments, some of which were conducted at the University of Bayreuth. This work led to a publication in a world-class journal. Dr. Siebert did his doctoral dissertation on “Behavioural Operations Research and Decision Analysis” and is now applying for a full professorship.

    Prof. Keeney is an engineer but famous as a research Professor Emeritus of Decision Sciences at the Fuqua School of Business at Duke University. He received his PhD in Operations Research at the world-famous MIT in 1969. His research interests lie in the fields of decision-making and risk analysis, with a particular emphasis on problems that involve multiple objectives. Professor Keeney is the author of several books and highly ranked articles. A current interest concerns distilling the body of knowledge in the decision sciences to provide practical and usable advice that helps people make better decisions.

    You can find the full blog here: https://doi.org/10.58079/v23b

  • Entscheiden ohne Tunnelblick – Wie sich die kreative Suche nach Alternativen lohnt

    Entscheiden ohne Tunnelblick – Wie sich die kreative Suche nach Alternativen lohnt

    Veröffentlichungen

    Siebert, Johannes U.; Keeney, Ralph L. “Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives”, Operations Research, September/Oktober 2015, 63(5), 1144-1158, dx.doi.org/10.1287/opre.2015.1411

    „There is no alternative!“, so begründete die britische Premierministerin Margaret Thatcher Ende der 1970er Jahre ihr wirtschafts- und sozialpolitisches Reformprogramm. Alsbald wurde dieser Slogan in den Medien als „TINA“-Prinzip karikiert. Aber gibt es überhaupt Entscheidungen ohne Alternativen? Und was besagt ihre vermeintliche Alternativlosigkeit über ihre Qualität?  Aktuelle Studien, die aus einer engen Zusammenarbeit des Bayreuther Ökonomen Dr. Johannes Siebert und des U.S.-amerikanischen Entscheidungstheoretikers Prof. Dr. Ralph L. Keeney hervorgegangen sind, zeigen: Gerade dann, wenn Menschen kreativ und zielorientiert nach verschiedenen Handlungsoptionen Ausschau halten, steigt die Qualität ihrer Entscheidungen. In der renommierten Fachzeitschrift „Operations Research“ stellen die beiden Wissenschaftler ihre Ergebnisse vor.

    Verengte Sicht auf Alternativen macht blind für die besten Optionen

    Menschen, die eine Entscheidung zu treffen haben, sind oftmals nicht in der Lage, alle für sie relevanten Alternativen zu erkennen. Ohne Unterstützung identifizieren sie in vielen Fällen nur weniger als die Hälfte der Handlungsmöglichkeiten, von denen sie – sobald sie explizit danach gefragt werden – glauben, dass sie in Betracht zu ziehen seien. Dies ergab ein Versuch mit rund 200 Bachelor- und Master-Studierenden in wirtschaftswissenschaftlichen oder wirtschaftsnahen Studiengängen. Im Vorfeld der Entscheidung für ein Praktikum identifizierten sie aus eigener Kraft nur 37 Prozent derjenigen Handlungsmöglichkeiten, die sie später als relevant bewerteten, wenn ihnen eine umfassende ‚Master-Liste‘ von Optionen vorgelegt wurde.

    Der verengte Blick auf das weite Feld möglicher Alternativen hat auch für die Qualität von Entscheidungen erhebliche Konsequenzen. Denn wie Keeney und Siebert in der gleichen Studie belegen konnten, sind Menschen in Entscheidungssituationen oftmals für Optionen blind, die sie nachträglich als besonders vorteilhaft bewerten. Bevor die Studierenden mit einer ‚Master-Liste‘ möglicher Alternativen konfrontiert wurden, zogen nur 44 Prozent von ihnen diejenige Option in Betracht, die sie anschließend am besten bewerteten; und nur 10 Prozent von ihnen erkannten im voraus ihre drei Top-Favoriten. Wenn aber besonders vorteilhafte Handlungsmöglichkeiten überhaupt nicht in Betracht gezogen werden, können sie auch nicht gewählt werden; denn es ist klar, dass es sich bei einer Entscheidung immer um die Wahl einer Option handelt, die im Vorfeld identifiziert worden ist.

    Siebert erläutert diese ‚Blindheit‘ für eine vorteilhafte, ja sogar für die beste Entscheidung an einem Beispiel aus der Studie: Ein Student hat nach der Hälfte der Laufzeit seines Praktikums den Wunsch, nach Abschluss des Studiums Vollzeit für das Unternehmen zu arbeiten. Was sollte er tun, um dieses Ziel zu erreichen? Die meisten der befragten Studierenden nennen Optionen wie „länger arbeiten“, „sich mehr Mühe geben“ oder „Verantwortung übernehmen“, doch die mit Abstand erfolgversprechendste Option kommt ihnen nicht in den Sinn: nämlich dass der Student seinen Chef fragen sollte, was er in der zweiten Hälfte seines Praktikums tun müsse, um seine Chance auf eine Vollzeitstelle zu erhöhen. Solange der Chef nichts von dem Interesse des Praktikanten weiß, erweisen sich die anderen genannten Optionen als wenig effektiv. Dies wird den meisten Befragten jedoch erst im nachhinein klar.

    „Je besser die vor einer Entscheidung in Betracht gezogenen Alternativen sind, desto besser ist im Regelfall auch die letztlich gewählte Option“, erklärt der Bayreuther Ökonom. „Viele Personen und Organisationen konzentrieren sich darauf, einzelne Handlungsoptionen zu diskutieren und zu bewerten. Es erweist es sich jedoch als deutlich effektiver, mehr Aufwand in die Entwicklung von Alternativen zu investieren.“

    Die Vergegenwärtigung von Zielen – ein Schlüssel für die Entdeckung vorteilhafter Handlungsmöglichkeiten

    Was aber können Menschen im Vorfeld einer Entscheidung tun, damit ihnen ein größeres Spektrum möglicher Alternativen vor Augen steht – insbesondere solche Handlungsmöglichkeiten, die in ihrem wohlverstandenen Interesse liegen? Von entscheidender Bedeutung ist es, sich die eigenen Ziele zu vergegenwärtigen. „Anknüpfend an die bisherige wissenschaftliche Literatur haben Professor Ralph Keeney und ich einen Ansatz verfolgt, der schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegt“, berichtet Siebert. „Wir haben untersucht, ob die Erkenntnis vorteilhafter Handlungsmöglichkeiten stimuliert und erweitert wird, wenn sich Menschen vor Entscheidungen zunächst einmal Rechenschaft darüber geben, welche Ziele sie eigentlich erreichen wollen. Ein solcher positiver Effekt lässt sich tatsächlich nachweisen. Die Ergebnisse unserer Studien sind in diesem Punkt eindeutig.“

    Denn bei weiteren Tests mit rund 400 Studierenden stellte sich heraus: Wenn sie eigene Ziele deutlich vor Augen hatten, konnten sie im Vorfeld einer Entscheidung mehr und bessere Handlungsmöglichkeiten identifizieren, als wenn ihnen nicht klar war, welche Ziele bei ihrer Entscheidung berücksichtigt werden sollten. ‚Zielbewusste‘ Studierenden konnten mithilfe kreativer Überlegungen doppelt so viele Handlungsmöglichkeiten entdecken wie Studierende, die zuvor nicht über eigene Ziele nachgedacht hatten. Und was noch stärker ins Gewicht fällt: In 58 Prozent dieser Fälle wurde das Spektrum der zielbewusst identifizierten Handlungsmöglichkeiten nachträglich höher bewertet.

    Angesichts dieser Ergebnisse haben Siebert und Keeney unterschiedliche Verfahren getestet, um die kreative Suche nach erfolgversprechenden Handlungsmöglichkeiten zu fördern. Als besonders effektiv erwies sich dabei eine umfassende ‚Master-Liste‘ von Zielen in Verbindung mit einer Anleitung, diese Ziele für eine derartige Suche zu nutzen. Auf diesem Weg konnte die Zahl der Alternativen, die im Vorfeld einer Entscheidung in Betracht gezogen wurden, um 53 Prozent gesteigert werden.

    Mehr Zeit ist kein Ersatz für zielbewusste Entscheidungsfindung

    Ließe sich ein derartiger Effekt auch dadurch erreichen, dass Menschen einfach mehr Zeit eingeräumt wird, um eine Entscheidung vorzubereiten? Ist die Vergegenwärtigung von Zielen womöglich ein aufwändiger Umweg, der sich vermeiden ließe, wenn für eine wenig zielbewusste Suche nach Alternativen mehr Zeit zur Verfügung stünde? Dies wird von den beiden Wissenschaftlern klar verneint. Ihre Untersuchungen zeigen, dass eine systematische Vergegenwärtigung von Zielen unverzichtbar ist, wenn man Menschen in schwierigen Entscheidungssituationen dazu anregen will, viele sinnvolle Handlungsoptionen in Betracht zu ziehen.

    Von wissenschaftlichen Studien in die Praxis: Handlungsempfehlungen

    Am Schluss ihres Beitrags für „Operations Research“  entwickeln Siebert und Keeney, der an der renommierten Duke University in den USA forscht, eine Reihe von Empfehlungen, wie die erzielten Forschungsergebnisse genutzt werden können, um Prozesse der Entscheidungsfindung zu optimieren – sei es in der Politik, in Unternehmen, sozialen Organisationen oder der individuellen Lebensplanung. Es komme der Qualität der Entscheidungen zugute, wenn mehrere Personen daran mitwirken, Ziele und sinnvolle Handlungsoptionen zu identifizieren und gegeneinander abzuwägen: also nicht nur die Verantwortlichen, die letztlich die Entscheidung treffen müssen, sondern auch Analysten und weitere Beteiligte. „Einsamkeit und Zeitdruck, verbunden mit unklaren Zielvorstellungen und einer eingeschränkten Sicht auf mögliche Alternativen, sind schlechte Voraussetzungen für gute Entscheidungen“, meint Dr. Johannes Siebert, der die jetzt veröffentlichten Studien in weiteren Forschungsarbeiten vertiefen will.

    Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 168/2015 vom 11. September 2015

  • Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives

    Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives

    Unsere erste Studie zeigt, dass die Entscheidungsträger weniger als die Hälfte ihrer Alternativen identifizieren und dass die Qualität von Alternativen ist entscheidend für das Treffen guter Entscheidungen. Diese Forschungsarbeit, die auf fünf empirischen Studien zu wichtigen, persönlich relevanten Entscheidungen basiert, untersucht die Fähigkeit von Entscheidungsträgern, Alternativen für ihre wichtigen Entscheidungen zu entwickeln, und die Wirksamkeit verschiedener Stimuli zur Verbesserung dieser Fähigkeit. Unsere erste Studie zeigt, dass Entscheidungsträger bei Entscheidungen, bei denen die Gesamtheit der potenziell wünschenswerten Alternativen nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, weniger als die Hälfte ihrer Alternativen identifizieren und dass die durchschnittliche Qualität der übersehenen Alternativen dieselbe ist wie die der identifizierten. Vier weitere Studien geben Aufschluss darüber, wie Zielsetzungen eingesetzt werden können, um den Prozess der Alternativenbildung bei Entscheidungsträgern anzuregen, und bestätigen mit hoher Signifikanz, dass ein solcher Einsatz sowohl die Anzahl als auch die Qualität der gebildeten Alternativen erhöht. Anhand der Ergebnisse der Studien werden praktische Leitlinien für die Erstellung von Alternativen für wichtige Entscheidungen vorgestellt.

    Siebert, Johannes U.; Keeney, Ralph L. “Creating More and Better Alternatives for Decisions Using Objectives”. Operations Research, September/October 2015, 63(5), 1144-1158. dx.doi.org/10.1287/opre.2015.1411

  • Die Entwicklung einer Balanced Scorecard mit Value-Focused Thinking am Beispiel eines Medienunternehmens

    Die Entwicklung einer Balanced Scorecard mit Value-Focused Thinking am Beispiel eines Medienunternehmens

    Dieser Beitrag beschreibt eine innovative Vorgehensweise zur Erstellung einer differenzierten Balanced Scorecard mit Hilfe von Instrumenten und Methoden des Value-focused Thinking und illustriert diese Vorgehensweise anhand eines mittelgroßen Medienunternehmens.

    Siebert, Johannes U.; Kunz, Reinhard „Entwicklung einer Balanced Scorecard mit Value-focused Thinking am Beispiel eines mittelgroßen Medienunternehmens“. Controlling:Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, March 2016, 210-215. DOI:  10.15358/0935-0381-2016-3-209

  • Identifikation und Strukturierung von Ziele eines großen Energieversorgers

    Identifikation und Strukturierung von Ziele eines großen Energieversorgers

    Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima kam es 2013 zu einem Paradigmenwechsel in der deutschen Energiepolitik. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel verkündete relativ kurzfristig den Atomausstieg. Die großen Energieanbieter in Deutschland, die Atomkraftwerke betreiben, wurden von dieser Entwicklung unverhofft überrascht. Dabei sind die ökonomischen Konsequenzen erheblich. Der analysierte europäische Energieanbieter schätzte seine langfristigen Gewinnausfälle auf ca. 1 Mrd. Euro pro Jahr.

    Vor diesem Hintergrund stand das analysierte Unternehmen unter erheblichem Zugzwang, qualitativ hochwertige strategische Handlungsalternativen zu formulieren. Dafür ist es jedoch zunächst erforderlich, systematisch die strategischen Ziele des Unternehmens zu identifizieren und zu strukturieren. Diesem Unterfangen haben sich Prof. Ralph Keeney, seines Zeichens emeritierter Professor der Duke University (USA) und Begründer der Value-focused Thinking Methode, und Prof. Johannes Siebert Anfang 2013 angenommen. In einem umfangreichen Prozess wurden Einzelinterviews mit allen Mitgliedern des Vorstands, dem Aufsichtsratsvorsitzenden sowie einem Dutzend Mitarbeitern in Schlüsselpositionen geführt. Letztere deckten alle relevanten Geschäftsbereiche des Unternehmens umfassend ab. Darüber hinaus wurden öffentlich zugängliche Dokumente sowie interne Planungsdokumente des Unternehmens systematisch nach möglichen Zielen hin analysiert.

    Insgesamt wurden auf diese Weise zunächst 450 Ziele identifiziert. Im nächsten Schritt wurden diese Ziele kategorisiert, um Redundanzen eliminieren zu können. Anschließend wurden die Ziele in einem Netzwerk organisiert und in einem übersichtlichen Schaubild visualisiert. Dabei wurden auf der obersten Ebene des Zielnetzwerks drei unterschiedliche Teilbereiche definiert.

    • Der erste Bereich des Zielnetzwerks beschäftigt sich im Wesentlichen damit, wie das Unternehmen eine Grundlage für zukünftigen Erfolg legen kann. In diesem Bereich finden sich viele Ziele, die sich damit beschäftigen, wie gute Führung zu leisten ist, wie eine hochqualifizierte Mitarbeiterstruktur auf- und ausgebaut werden kann und wie konsequent hochwertige Entscheidungen getroffen werden können.
    • Der zweite Bereich des Zielnetzwerks beschäftigt sich damit, wie das Unternehmen seine Geschäfte clever und zukunftsweisend gestalten kann. Im Zuge dessen wurde deutlich, dass innerhalb des Unternehmens zwei unterschiedliche Zielsysteme verfolgt werden. Zum einen sind „Effizienz erhöhen“ und „Kosten minimieren“ im traditionellen und regulierten Geschäft die zentralen Zielgrößen. Währenddessen stehen in den neuen und noch nicht regulierten Geschäftsbereichen, wie etwa alternative Energien, Ziele wie „Neue Produkte entwickeln“, „Neue Märkte erschließen“ oder „Neue Kunden gewinnen“ im Vordergrund.
    • Der dritte Bereich des Zielnetzwerks beschäftigt sich damit, wie das Unternehmen im unsicheren Marktumfeld nicht nur überleben, sondern weiter aufblühen kann. Im Mittelpunkt steht dabei, welche Werte (Values) das Unternehmen für seine Stakeholder (Kunden, Anteilseigner, Mitarbeiter, Partner und Bevölkerung) strategisch anstrebt. Für die Kunden sollen beispielsweise eine sichere und verlässliche Energieversorgung zu vertretbaren Preisen erreicht werden. Für die Anteilseigner soll eine angemessene und stabile Dividende ausgeschüttet werden. Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen sich weiterhin sehr stark regional engagiert. Für die Mitarbeiter sollen sichere Arbeitsplätze zu fairen Konditionen angeboten werden, bei denen sie Freude an der Arbeit haben.

    Ein wichtiges Teilergebnis bestand in der Erkenntnis, dass das Unternehmen in zwei Geschäftsbereichen mit sehr unterschiedlichen Zielen agiert, dem traditionellen regulierten Bereich und dem neuen unregulierten Bereich. Zwei wesentliche Ziele verdeutlichen dies. Im regulierten Bereich ist das Ziel „Operate effectively und efficiently“ zentral, im unregulierten hingegen „Create and market new products and processes“. Dahinter stehen unterschiedliche Managementphilosophien. So kam es beispielsweise dazu, dass sich Mitarbeiter, die viele Jahre im traditionellen Geschäftsbereich tätig waren, im unregulierten Geschäftsbereich sehr schwer taten.

    Als die Ergebnisse in einer Vorstandssitzung präsentiert wurden, meinte der Vorstandsvorsitzende, damals 100 Tage im Amt, dass er beeindruckt davon sei, dass wir alles, was dem Unternehmen wichtig ist, auf einer Seite verdichten konnten und dass gerade die klare Unterscheidung der Zielsetzungen im regulierten und unregulierten Bereich das fehlende Puzzlestück für ihn gewesen sei, um seinen Mitarbeitern seine Vision des Unternehmens klar zu kommunizieren.